BNN, 02.12.2017

Unbändige Lust am Stilmix

Beatles, Blues und Bossa Nova: Tobias Langguth Trio beim Jazzclub

Ein bisschen Effekt und Hall am Mikro, ein kurzes Anklingen des Bluesschemas, dann ertönen knackige Riffs, schön schräg und trotzdem rockig – schon die ersten Takte weisen dem Publikum den musikalischen Weg, den Jazz-Ikone Tobias Langguth in den nächsten zwei Stunden im vollbesetzten Lamm-Keller beschreiten wird. Stilistisch kennt der 60-jährige Gitarrist keine Grenzen, selbst innerhalb der Songs ist Stilmix ein Merkmal seines Spiels. Die Hommage an die Blues-Pianistin „Sweet Emma Barrett“ dient so dem scheinbar lockeren und doch Grenzen einreißenden Warmspielen. Langguth selbst ist in Bretten ein guter Bekannter, seine hochkarätigen Mitmusiker dagegen geben beim Jazzclub ihr Debut. Unfassbar eigentlich, dass Bassist Jochen Schaal, der in den 70er lange Zeit Tür an Tür mit Langguth in einer WG in Karlsruhe lebte, wo ihre JamSessions mit Günter Möll oft die Nacht zum Tag machten, erst jetzt den Weg aus seiner zwischenzeitlichen Heimat Köln zum gemeinsamen Auftritt in Bretten fand. Umso mehr freute sich Jazzclub-Chef Peter Gropp, die beiden Weggefährten endlich zusammen präsentieren zu können. Begleitet werden sie vom Schlagzeugvirtuosen Stefan Günther-Martens, der, Bigband erfahren, im Trio oft die leisen und subtilen perkussiven Elemente beisteuert. Bassdrum, Snare, Hi-Hat und Becken genügen ihm, um eine vielschichtige und ganz eigene rhythmische Note einzubringen.
Viel hat sich Langguth mit brasilianischer Musik beschäftigt, und die verjazzten Bossa-Nova-Klänge gehen unter die Haut. „Esse seu olhar“ (etwa „dieser dein Blick“) lädt scheinbar sentimental zum Träumen ein, erfährt aber schon nach wenigen Takten Komplexität und Tiefgang. Günther-Martens streichelt das Fell sanft,aberintensiv, um dann eruptiv die ganze südländische Leidenschaft aufflammen zu lassen. Dazu spielt Jochen Schaal seinen Kontrabass meisterhaft weich, oft sehr melodiös mit sehnsuchtsvollem Ausdruck. Seine emotionalen Solis fügen sich in ihrer Bescheidenheit oft so harmonisch in das Songgefüge ein, dass sich das Publikum meist die Gelegenheit zum Szenenapplaus entgehen lässt. Aber Langguth und seine Mitstreiter können auch anders. Rockige Versionen alter Jazzstandards oder verjazzte Pop und Rocksongs sorgen für ungläubiges und freudvolles Staunen im Publikum, das den Rhythmus mit Kopf, Händen und Beinen mitgeht. Mit unbändiger Spielfreude jagen die drei lustvoll über ihre Instrumente, da wird Dampf gemacht, krachen harte Breaks dazwischen und die Lautstärke lässt für Momente die Kellerdecke erzittern. Songs von den Beatles und Rolling Stones wie „Hey Jude“ und „Satisfaction“ klingen dabei so verfremdet, dass sie manchmal erst am Refrain zu erkennen sind. Und Spaß haben die drei Musiker, locker und befreit wirkt das auf die Zuhörer, die sich gerne auch von den Schaalschen Bonmots (der seine gemeinsamen Jahre mit dem Kabarettisten Thomas Freitag immer wieder aufblitzen lässt) undLangguthsGeschichtenunterhalten lassen. Für das „Cigar Box Guitar Festival“  im schwäbischen Pleutersbach hat er eigens eine Weinkiste zum Gitarrenkorpus umfunktioniert, mit der er nun den dynamischen „Neckar-MississippiSound“ präsentiert. Mit einer Reminiszenz an John Mayall entlässt das Trio sein Publikum nach einem stilistisch furiosen Abend gefühlvoll und bluesig in die kalte Nacht.  Ansgar Baumgärtner